Elegant und feminin – Victoria Belikova

Als berühmtes Model der 1960er und 1970er Jahre war Ewgenija Hartleben-Kurakina im Mittelpunkt der äußerst lebendigen Leningrader Modeszene. Im Gespräch mit dieser eleganten Dame wollte globe-M erfahren, was sie von der heutigen Mode hält.
globe-M: Wen würden Sie als den größten Modemacher aller Zeiten nennen? Haben Sie überhaupt einen Lieblingsdesigner?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Coco Chanel ist und bleibt die unbestrittene Königin der Haute Couture. Sie kreierte die Silhouette für die Frau des 20. Jahrhunderts, förderte Kunst und erfand das einmalige Parfüm „Chanel Nr. 5“. Dafür gebührt ihr mein tiefster Respekt. Chapeau! Vor einiger Zeit wurde sie übrigens in einer Filmbiografie ganz exzellent von der bezaubernden Audrey Tautou verkörpert. Auch im Film sieht man, dass Coco Chanel stilistisch unübertroffen ist.

Audrey Tautou als Titelheldin in „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ (2009)
globe-M: Als gefragtes Mannequin haben Sie naturgemäß unzählige Modelle vorgeführt. Denken Sie an die eine oder andere Kreation besonders gern zurück?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Es waren in der Tat unzählige Modelle, die ich auf den Catwalks der Sowjetunion und im Ausland vorgeführt habe. Darunter gab es auch manche Lieblingstücke. Leider gibt es in meiner Sammlung nicht so viele Fotos, dass ich wirklich mein allerliebstes Modell aussuchen könnte. Der Grund dafür ist ganz einfach: Zu meiner Zeit hatten Mannequins kein Anrecht auf die Aufnahmen. Jedes Foto, das man besaß, war entweder ein Geschenk oder ist einem „zugeflogen“. Dazu möchte ich erwähnen, dass unser „Hoffotograf“ Peter Segal einer der wenigen war, der in der damaligen UdSSR die Mode auf Fotopapier und nicht im Offsetdruck festhielt. Aber um auf Coco Chanel zurückzukommen, zeige ich Ihnen eine Aufnahme, die belegt, dass ihr eleganter Stil auch in Leningrad Nachahmer fand.

Model Ewgenija Kurakina, Foto Peter Segal, 1968
© kurakina collection

globe-M: Haben Sie eine persönliche Definition von Mode? Was ist das überhaupt?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Ich glaube, dass Mode ein Zeichen für die stete Erneuerung und Wandlung der Geschichte ist, die sich in der recht kurzlebigen Dominanz eines bestimmen Geschmacks äußert. Es ist aber auch eine Art sich darzustellen und eigene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Oft wird Mode ganz zufällig geboren: Jemand kramt in Omas Mottenkiste und entdeckt dort eine Blume aus weicher Seide, eine Pompadour-Tasche oder eine asphaltgraue Strickschlupfhose. Der aufmerksame Designer bemerkt solche „zufälligen“ Sachen auf der Straße und greift sie auf.
globe-M: Was mögen Sie an der Straßenmode von heute?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Ich finde sie oft interessant und bin für alle Tendenzen offen. Manchmal bewundere ich sogar, wie harmonisch sich manche junge Menschen zurechtmachen.
globe-M: Gibt es dabei Sachen, bei denen Sie bedauern, nicht mehr Siebzehn zu sein?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Eigentlich trauere ich den Jahren nicht nach, denn jedes Alter hat einen gewissen Charme. Der einzige wesentliche Unterschied ist, dass man mit Siebzehn buchstäblich einen Kartoffelsack überziehen kann, man macht ihn an der Taille mit einer großen Sicherheitsnadel fest und sieht dabei unwiderstehlich aus.
globe-M: Wenn man von politischen, wirtschaftlichen und anderen Umständen absieht, in welchem Zeitalter würden Sie am liebsten als modebewusste Dame leben?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Da muss ich kurz nachdenken… Ich fühle mich auf jeden Fall von den 20er Jahren und dem so genannten „Chicago-Stil“ angesprochen. Diese Zeit schenkte den Frauen Leichtigkeit und Unabhängigkeit. Die wichtigste Rolle spielten Accessoires wie lange Handschuhe, Glockenhüte und Schmuck zu allen Outfits. Wichtig waren auch der Bubikopf und das Make-up: helle Haut, dunkle Lidschatten und kräftige Farben an den Lippen. Die Mode war sehr feminin und originell, und die Zeit ganz schön verrückt.
globe-M: Ich darf doch einige Fragen zu Ihren privaten Vorlieben stellen? Wie viele Paar Schuhe besitzen Sie?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Es sind nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige. Meistens bleibe ich meinem Stil treu: Ich mag gern Stöckelschuhe und den Louis-XV-Absatz.
globe-M: Welche Farbe fehlt in Ihrer Garderobe?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Da gibt es kein Violett und Dunkelblau. Es sind Farben, die meiner Meinung nach keine positiven Emotionen vermitteln. Ich dagegen möchte gern und oft lächeln.
globe-M: Welches Kleidungsstück darf in Ihrer Garderobe nicht fehlen?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Ich mag besonders gern Kleider in der besagten Chanel-Länge. Sie sind sehr feminin und elegant zugleich. Da teile ich die Meinung von Chanel, dass die Knie nicht die schönsten Körperteile sind, daher sollen sie nicht immer zur Schau gestellt werden.
globe-M: Was ist zurzeit ihr Lieblingskleidungsstück?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Ein cremefarbener Strickschal. Ich finde ihn sehr anregend. Und warm ist er auch.
globe-M: Welches Kleidungsstück kann aus einem Mauerblümchen eine modische, stilvolle Frau machen?
Ewgenija Hartleben-Kurakina: Das „Kleine Schwarze“ natürlich! Das knielange schwarze Kleid ist ein Klassiker, der keinem Modediktat unterliegt, es ist elegant, praktisch und stillvoll. Es ist zeitlos und zeitgemäß zugleich.
globe-M: Vielen Dank für das Gespräch
Weitere Informationen:
In den 1960er und 1970er Jahren arbeitete Ewgenija Hartleben-Kurakina als Mannequin im Leningrader Modehaus, wobei sie gleichzeitig Soziologie studierte. In diesen Jahren legte sie den Grundstock für ihre Sammlung sowjetischer Modefotografie, die sie mehrmals der Öffentlichkeit in Form einer Ausstellung vorstellte (globe-M berichtete). Zurzeit bereitet sie ein Projekt im Modemuseum Schloss Meyenburg vor, in dem die Fotos aus ihrer Sammlung mit historischen Kleidern aus der Sammlung Josefine Edle von Krepl gezeigt werden. Die Ausstellung soll im März 2012 eröffnen.

Das Gespräch führte Victoria Belikova

Quelle: globe-M

«Манекенщицы приравнивались к рабочим»

Одна из самых известных советских моделей на открытии выставки ретрофотографий вспомнила свою юность
Евгения Куракина и сейчас могла бы выйти на подиум 11 августа 2011, 15::35
Фото: из личного архива
Текст: Ирина Тарасова,
Санкт-Петербург

«Когда мама узнала, что я «пошла в манекенщицы», ей стало плохо… В трудовой книжке у нас была запись «Демонстратор одежды». Но и я, и мои родители несколько стеснялись моей профессии, и на вопрос, кем я работаю, я часто отвечала: «Продавщицей», – призналась газете ВЗГЛЯД ленинградская топ-модель 1960-1970-х Евгения Хартлебен-Куракина.

Ленинградские моды 60–70-х вернулись в Петербург. Правда, пока не собственно моды, а только фотовыставка «Ленинградские моды 60–70-х годов», на которой представлена коллекция фотографий одной из самых известных тогдашних моделей Евгении Хартлебен-Куракиной, а также фотографии из архивов других советских моделей, альбомы и календари того времени. Теперь Евгения Куракина – редкий гость в родном городе, она давно живет в Германии.

На небольшую ретроэкспозицию в Конюшенный корпус петербургского Елагина острова собрались герои fashion-индустрии тех времен: модели, фотографы, художники… В планах показ этой выставки в марте в Германии, под Берлином. В замке Майенбург, где расположен музей моды известного коллекционера Жозефины фон Кремпль, представят ленинградские фотографии и коллекции одежды, которую носили в те же годы в Германии, чтобы продемонстрировать сходство и различия советского и немецкого стилей.

О том, какова была судьба манекенщицы в ленинградские 60–70-е, газете ВЗГЛЯД рассказала главная героиня выставки «Ленинградские моды» Евгения Хартлебен-Куракина.

ВЗГЛЯД: Евгения, в отличие от нынешнего времени, в годы вашей юности большинство людей, наверное, даже не знали, кто такие модели: все хотели стать космонавтами, учеными, поэтами… Как же вы стали манекенщицей?

Евгения Хартлебен-Куракина: Конечно, я совершенно не собиралась становиться манекенщицей. Мама хотела, чтобы я поступила в Политехнический институт, но я получила на вступительном экзамене по физике «четверку» и не набрала проходной балл. Самый большой конкурс в то время, кстати, был в самый престижный Институт культуры им. Крупской, который теперь называется Университетом культуры и искусства…

Так вот после «незачисления» я шла по городу заплаканная, огорченная, и вдруг у Казанского собора меня остановила один из детских модельеров Дома моделей, звали ее Алевтина. И она сказала, что ищет именно такой образ «грустного подростка». Я пришла в Дом моделей, прошлась по подиуму, как меня просили, и когда мне сказали, что меня берут на работу, удивленно спросила: «Вот это и есть работа?» Мне показалось, что это так просто…

Советские модель 1960-70- хорошо одевались только на работе, в обычной жизни был дефицит. Евгения Куракина в 1960-е (фото: Петр Сегаль) Советские модели 1960–70-х хорошо одевались только на работе, в обычной жизни был дефицит. Евгения Куракина в 1960-е (фото: Петр Сегаль)

ВЗГЛЯД: И потом в работе манекенщицы не возникало трудностей?

Е. Х-К.: Честно говоря, мне все давалось легко, хотя с нами и много работали: ставили движения, создавали образ, проводили фотосессии, выезжали на показы по всей стране, а в семидесятые годы уже и за рубеж… Но, наверное, работа манекенщицы и правда была органична для меня. Тяжелее всего давались, пожалуй, примерки: мы должны были стоять часами, потому что коллекции шили индивидуально, практически создавая модель на манекенщице, и, пока модельер работал, ты стояла как вкопанная.

ВЗГЛЯД: А как одевались манекенщицы в свободное от работы время?

Е. Х-К.: В то время был дефицит на все: что-то добыть в советские времена было невозможно. Вообще «добывание» было своеобразным развлечением, а очереди – образом жизни. Манекенщицы приравнивались по оплате к рабочим категориям, но сначала – очень низкого разряда. Мы получали очень маленькие деньги, чуть больше дворника – рублей 70–90 в месяц, поэтому приходилось порой покупать вещи на двоих, а то и на троих! Но больше всего модели рукодельничали сами: все вязали, все шили. Было престижно, например, за одну ночь сшить себе новогоднее платье. Почти как Золушка!

ВЗГЛЯД: Как же конкуренция между моделями? Неужели в те времена ее не было?

Е. Х-К.: Наверное, нам всем так непросто жилось, что мы жили очень дружно и не гнушались одеждой или обувью, общей для нескольких девушек. Тогда процветала фарцовка: моряки, которые ходили в «загранку», привозили хорошие вещи, косметику, приносили их на продажу в Дом моделей и Дом мод. Но все это было дорого – покупали вскладчину. Непросто было найти и хорошие чулки или колготки. А тушью весь модельный мир Ленинграда, например, снабжала одна женщина из Дома мод, все ее звали Зина. Одна тушь стоила страшно дорого – пять рублей! И макияж манекенщицы наносили себе сами. Разве что парикмахер в Доме моделей для нас был бесплатным. Это, пожалуй, была единственная привилегия… Можно было, конечно, купить и модели одежды после показов, но для нас это было запредельно дорого!

ВЗГЛЯД: Как относились родные и окружающие к вашей профессии?

Е. Х-К.: Когда мама узнала, что я «пошла в манекенщицы», ей стало плохо… В трудовой книжке у нас была запись «Демонстратор одежды», но оплачивали нас по рабочей категории. Но и я, и мои родители несколько стеснялись моей профессии (такое уж было время!), и на вопрос, кем я работаю, я часто отвечала: «Продавщицей».

ВЗГЛЯД: Сегодня для модели самое сложное соответствовать некоему стереотипу «90х60х90», плюс бесконечные диеты… Вам приходилось сидеть на диетах?

Е. Х-К.: В наше время модели были разных размеров – от 44-го до 50-го. Поэтому мы могли оставаться такими, какими были. Наша администратор даже шутила: «Не встречала никого прожорливее манекенщиц!» Но удивительно, мы не толстели, хотя у всех было то, что называют «формы». Просто много энергии уходило на работу, примерки, показы.

ВЗГЛЯД: В Ленинграде, как и в Москве, кроме официальной жизни существовала жизнь неофициальная, богемная. Что она представляла собой тогда в Ленинграде?

Е. Х-К.: Конечно, у манекенщиц были некоторые привилегии: мы могли попасть на закрытые кинопоказы в Дом кино, встречались в Доме журналиста и Доме литератора, бывали во всех мастерских художников того времени. В те годы были замечательные джем-сейшены, на которые попадали очень немногие: играли Константин Носов, Геннадий Гольштейн, начинал играть Давид Голощекин… Мы встречались не только на концертных площадках, например, Дворца культуры Кирова, но и, например, в кафе «Белые ночи» на Майорова – это было настоящее джазовое кафе.

ВЗГЛЯД: А привилегия выезда за границу?

Е. Х-К.: В первую очередь мы выезжали в Москву и республики СССР. А за границу мы начали выезжать только в 1970-е. Для меня, например, проблемой при выездах было то, что я была беспартийной, да еще и не замужем. Во время заграничных выездов, например, на выставки в Лейпциг, у каждой манекенщицы было по двое «охранников» – сопровождающих, которые следили за твоими перемещениями, контактами. Категорически запрещалось общаться с иностранцами! И вообще, манекенщиц за границу выезжало всегда меньше, чем «обслуживающего персонала».

ВЗГЛЯД: Отличались ли коллекции, которые готовили к показу в стране и за рубежом?

Е. Х-К.: Некоторые отличия, конечно, были. Для зарубежных коллекций часто создавали специальные костюмы. Так, я помню, как для выставки в Лейпциге для меня создали такой образ Ивана-царевича: сшили яркий кафтан, особенный головной убор, шаровары, обувь – получился такой сказочный стиль а ля рус.

ВЗГЛЯД: Удавалось ли следить за тенденциями мировой моды за «железным занавесом»?

Е. Х-К.: Тогда в открытой продаже не было европейских журналов мод, их продавали разве что фарцовщики. В Доме мод и Доме моделей были иностранные журналы мод, но доступ к просмотру этих журналов был строго ограничен.

ВЗГЛЯД: Между московским и ленинградским стилем всегда проводили границу в те времена эта разница действительно чувствовалась? Что такое ленинградский стиль в моде?

Е. Х-К.: Ленинградскую моду считали более стильной и элегантной: она была лаконичнее, строже, сдержаннее, чем московская. Больше внимания уделяли не деталям, а собственно линии, силуэту одежды. В Ленинграде господствовал такой спортивно-элегантный стиль одежды. Хотя в жизни долгое время у нас даже женские брюки были под запретом! В институт, например, приходилось приходить, повязав сверху брюк шарф, чтобы пропустили. Хотя в 1970-е годы мы уже носили и очень короткие юбки, и очень высокую платформу, и очень прозрачные блузки. После этого вообще ничто в моде не кажется слишком смелым…

ВЗГЛЯД: Вы приехали в родной город после выставки, которая прошла в Москве…

Е. Х-К.: Действительно, выставка «Ленинградские моды 60–70-х» сначала прошла в галерее Церетели. И, удивительное дело, после нее меня нашли по Интернету несколько моих знакомых того времени: один манекенщик, который живет теперь в Ирландии, один из музыкантов джаз-бенда, сопровождавших тогда наши показы – Александр Галембо, и замечательный ленинградский художник, который живет сейчас в Америке. Такое вот получилось «путешествие в прошлое».

Кстати:

В юности у Евгении Хартлебен-Куракиной было прозвище «графиня». Позже оказалось, что род Куракиных по псковской линии действительно относился к дворянской фамилии Куракиных, служивших при дворе Александра II и Александра III и разорившихся после революции.

Справка:

Ленинградский Дом моделей (на Невском проспекте, в створе улицы Желябова – нынешней Большой Конюшенной) был самым презентативным в Ленинграде, определяя направление моды на сезон. Здесь также находился экспериментальный цех, где работала, например, знаменитая советская художница Галина Светличная (она обшивала исключительно выездной состав манекенщиц), а также Ольга Демидова, Надежда Гринько, Нонна Меликова, Светлана Челышева, Александра Соколова и другие.

Текст: Ирина Тарасова,
Санкт-Петербург

Quelle: http://www.vz.ru/culture/2011/8/11/514071.html

Ewgenija Kurakina: «Wir sind sowjetische Mannequins, mit uns darf man nicht sprechen»

Ewgenija Kurakina, eine der führenden Leningrader Mannequins der sechziger Jahre, kommt nur noch selten nach Sankt Petersburg, meistens wenn sie auf der Durchreise aus Berlin ist. Während ihres letzten Besuchs ist es uns jedoch gelungen, sie zu treffen und mit ihr über die Besonderheiten der Modeindustrie jener Jahre zu sprechen. Damals war Ewgenija mit der Fashion-Welt nicht nur vom Hören-Sagen bekannt, sondern war das Gesicht Leningrads und vertrat unsere Mode im Ausland. Sie erlebte von Anfang an den Export unserer Mannequins auf die internationalen Catwalks mit, auf denen heute zahlreiche Gesichter osteuropäischer Models zu finden sind.

Russische Models sind auf den internationalen Catwalks sehr nachgefragt. War das nicht immer so?

Nein, ganz und gar nicht! Man kann wirklich nicht sagen, dass russische Mannequins im Ausland nachgefragt wurden, als ich gemodelt habe, und das waren die sechziger Jahre. Wir waren damals «hinter Gittern», hinter dem Eisernen Vorhang. Erst in den Siebzigern konnten wir auch nach Ausland reisen.

Ist es wahr, dass Sie «unter Aufsicht» gereist sind?

Ja, selbstverständlich! Jedes Mannequin hatte jemanden, der auf sie aufpasste. Es war unmöglich, sich frei im Ausland zu bewegen. Wir wurden alle unter Kontrolle. Das war natürlich unoffiziell, doch wussten alle, dass es so ist. Allein schon deshalb, weil es immer mehr Mitarbeiter als Mannequins waren, die nach Ausland reisten.

Erzählen Sie von Ihren Reisen. Konnten Sie Ihrer Beobachter loswerden?

Da haben sich schon recht amüsante Geschichten ereignet. In Leipzig wurden jedes Saison Modemessen veranstaltet. Auf dem Weg zu einer von diesen Messen ging der Verschluss meines Schuhs kaputt, und ich blieb stehen, um ihn zu richten. Sofort kam der Administrator zu mir gelaufen, um zu fragen, weshalb ich denn stehengeblieben sei. Ein anderes Mal sind wir in einem Hotelaufzug gemeinsam mit einem Engländer nach unten gefahren, der versuchte mit uns ins Gespräch zu kommen. Ich war gezwungen ihm zu sagen, dass wir sowjetische Mannequins sind und dass man mit uns sprechen nicht erlaubt sei.

War das die Einstellung ihrer Leitung? Hat sie die Kommunikation mit Ausländern unterbunden?

Ja. Ohne Begleitung eines Administrators dürften wir uns nicht einmal an eine Bar setzen. Alle unsere Bewegungen wurden «überwacht». Wir dürften uns nicht mit den Ausländern unterhalten.

Haben Sie bei diesen Auslandsreisen Leningrader Modekollektionen präsentiert?

Wie üblich wurde eine Kollektion eigens für uns kreiert, wobei für jedes Mannequin eine Art Charakter geschafft. Ich wurde als «trauriger Teenager» bezeichnet. Und ich schlüpfte sehr lange in dieser Teenager-Rolle. Ich erinnere mich noch, dass ich einmal in Deutschland in Gestalt des «Zarensohnes Ivans» auftrat.

Was war das Ziel dieser Auftritte? Eine Demonstration der Errungenschaften der Leningrader Mode –und Textilindustrie?

Ich denke, dass das Ziel darin bestand, den Leningrader Stil zu zeigen. Vielleicht sogar die sowjetische Mode zu präsentieren.

Erzählen Sie uns, wie sie – die sowjetische Mode war?

Äußerst populär war ein sportlich-eleganter Stil. Und in den siebziger Jahren haben wir derart kurze Röcke und derart hohe Plateauschuhe getragen, so hoch, dass es uns heute nichts mehr als gewagt erscheint. In Moskau wurde ich einmal von einem Milizionär angehalten, weil ich in ein rotes transparentes Batisthemd gehüllt war und keinen BH trug.

Musste man bestimmte Charakterzüge mitbringen, um ein «ausreisefähiges Mannequin» zu werden? Oder vielleicht ein Parteibuch besitzen?

Das hat es auch gegeben. Ich kann mich erinnern, als man uns auf einer Versammlung erklärte, dass nur diejenigen mitfahren dürfen, die Parteimitglieder seien. Und ich muss sagen, dass viele Mädchen sofort in die Partei eintraten.

Hatten Sie auch ein Parteibuch?

Nein, ich hatte keines. Ich bin auch nicht beim Komsomol gewesen. Reisen durfte ich allein aus dem Grunde, weil ich von den Modedesignern nachgefragt wurde und da viele Kollektionen gerade für mich geschaffen wurden. Im Hause der Mode auf dem Newskij Prospekt war einst eine recht amüsante Geschichte passiert. Während der Versammlung vor einer Reise stand eine meiner guten Freundin auf und sagte: «Ewgenija Kurakina darf nicht ausreisen, da sie weder im Komsomol noch verheiratet ist und dabei noch alleine lebt».

Ewgenija, wie wurde man zu jener Zeit überhaupt zu einem Model?

Normalerweise suchte man Models und fand sie auch. Ich wurde auch gefunden. Davor hatte ich noch nicht einmal von einem Hause der Mode gehört.

Erzählen Sie, wie man Sie gefunden hat?

Das war eine recht tragikomische Geschichte. Ich hatte gerade mein Abitur gemacht und meine Mutter wünschte sehr, dass ich mich bei einem technischen Institute einschreibe. Bei den Eignungsprüfungen bekam ich nur ein «Gut» in Physik und wurde deshalb nicht aufgenommen. Ich wusste nicht, wie ich das meiner Mutter beibringen sollte, da es für sie eine Tragödie bedeutete. So ging ich also den Newski Prospekt entlang nach Hause, in die Rubinstein Straße, und weinte. An der Kasaner Kathedrale wurde ich von einer Kindermodedesignerin des Hauses der Mode Alewtina angehalten, die, mich zu trösten versuchte. Ich war gezwungen, tränenerstickt meine traurige Geschichte ihr zu erzählen. Sie antwortete mir: «Du gefällst mir sehr, komm zu uns und arbeite als Mannequin». Ich kam ganz verheult nach Hause zurück und erzählte meiner Mutter, dass ich nicht angenommen worden war. Sie wurde sehr traurig und versprach mir, dass ich sicherlich in ihrem Institut arbeiten könne. Daraufhin antwortete ich ihr, dass ich bereits einen Job gefunden habe. Und als ich das Wort «Mannequin» aussprach (ich hatte keine Ahnung, was das überhaupt bedeutete), wurde meiner Mutter schlecht.

Haben Sie wirklich nichts von diesem Beruf gewusst?

Gar nichts. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das Vor- und Zurücklaufen auf dem Laufsteg eine richtige Arbeit ist. Damals war die Modewelt sehr verschlossen, und nur wenige hatten überhaupt eine Vorstellung davon. Aber mir hat diese Tätigkeit immer gefallen. Denn der Sinn unserer Arbeit darin bestand, die Kollektionen dank unseren effektvollen Präsentationen der Kollektionen vor der Kommission der Modeindustrie erfolgreich verkaufen zu können.

Verraten Sie uns Ihre Geheimnisse, wie Sie das geschafft haben?

Wir waren sehr artistisch veranlagt. Wir haben niemals den Eindruck vermittelt, dass ein Kleiderständer oder eine Mumie auf dem Laufsteg läuft, die auf niemanden achtet. Wir haben mit dem Saal kommuniziert, den Zuschauern zugelächelt. Wir bauten theatralische Momente ein. Ich kam zum Beispiel mit der Musik zum Film«Die Regenschirme von Cherbourg» mit einem Regenschirm auf den Laufsteg und hüpfte über Pfützen. Das war wie ein richtiges Theaterstück. Und wir lebten damit. Es ist sogar vorgekommen, dass Menschen auf den Modeschauen weinten, so sehr sie von uns gerührt waren.

Können Sie heute die Schönheitskriterien spezifizieren, nach denen damals die Mädchen für die Arbeit auf dem Laufsteg ausgewählt wurden?

Ich möchte nicht sagen, dass man nur nach Schönheit ausgewählt wurde. Man musste ein besonderer Typ sein. Die Mannequins von damals waren keine Kleiderständer, sondern Persönlichkeiten.

Waren 90*60*90 erforderlich?

Selbstverständlich gab es bestimmte Kriterien, obwohl gerade derartige Parameter nicht ausschlaggebend waren. Alle Mädchen waren schlank, aber sie hatten Formen. Das waren Frauen. Wir waren niemals auf Diät. Wörter wie «Diät» oder «abnehmen» fehlten gänzlich in unserem Wortschatz. Unsere Administratorin sagte, dass sie niemanden getroffen hätte, der gefräßiger als Mannequins wäre. Auf unsere Figuren hat sich das seltsamerweise jedoch nicht ausgewirkt. Vielleicht weil wir viel Energie bei den Ankleideproben verloren haben, während deren wir stundenlang stehen mussten. Damals wurden die Kollektionen direkt auf uns zugeschnitten, deshalb gestalteten sich die Proben zu einer echten Knochenarbeit. Wir arbeiteten bis auf die totale Erschöpfung, manchmal sogar bis auf Ohnmacht.

Sind Sie heute stolz darauf, als Mannequin gearbeitet zu haben?

Diese Arbeit hat mir viel gegeben. Für die Frauen bedeutet sie überhaupt sehr viel, da man dadurch sich zu kleiden, sich richtig zu «präsentieren», sich richtig zu verhalten, sich mit Stil und Geschmack vertraut zu machen lernt. Sie verleiht eine besondere Verhaltenskultur, die in der Gesellschaft von großer Bedeutung ist.

Gespräch geführt von Alexandra Karpova
Foto: Maria Bondareva
Sankt Petersburg – 19.07.2010